Die optimale Hydrationsstrategie für Training und Wettkampf

Die optimale Hydrationsstrategie für Training und Wettkampf

Juli Brüning |

Die optimale Hydrationsstrategie für Training und Wettkampf - ein Gastbeitrag von Juli Brüning (Teil 3/3)

Für eine optimale Wettkampfleistung spielen in der Ernährung zwei Faktoren eine entscheidende Rolle: die Energiezufuhr und die Hydrationsstrategie. Letztere lässt sich noch weiter unterteilen in die  Flüssigkeits- und Elektrolyt-/Natriumaufnahme, die beide von sehr individuellen Faktoren abhängig sind. Im Grunde bilden die Energie-, Flüssigkeits- und Natriumzufuhr die drei Säulen der Wettkampfernährung.

Abbildung 1: Die 3 Säulen der Wettkampf-Verpflegung. Angepasst von Precision Hydration Ltd.

Während alle drei Säulen sowohl im Training als auch im Wettkampf wichtig sind, ist die Vorbereitung der Hydrationsstrategie für den Wettkampf spezifischer. Beides erfordert ein gewisses Maß an Verständnis und Planung. Dazu bildet die Bestimmung oder zumindest eine fundierte Schätzung der individuellen Schweiß-Natrium Konzentration und der Schweißrate die Basis. 

Von der Theorie zur Umsetzung: Wie auch bei der Kohlenhydratzufuhr kann es situationsbedingt eine große Herausforderung sein, die optimale Flüssigkeitszufuhr im Wettkampf zu erreichen. Entweder aus logistischen Gründen oder durch Limitierungen im Verdauungssystem. Wie viel Flüssigkeitsvolumen der Magen verträgt und wie schnell der Körper die Flüssigkeit aufnehmen kann ist individuell. Beides kann trainiert werden und das "Train the Gut" -Prinzip gilt gleichermaßen für die Aufnahme höherer Kohlenhydratmengen pro Stunde wie für eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr. 1

Guideline für die Hydrationsstrategie im Training

1. Vor dem Training:

Grundlage schaffen: Normalerweise ist es ausreichend, den Tag über nach dem Durstgefühl zu trinken, um hydriert in die Trainingseinheit zu starten. Besteht die Vermutung, etwas dehydriert zu sein, kann vor Beginn der Einheit ein sogenanntes „Pre-Loading“ angewendet werden.  

Pre-Loading-Strategien helfen dem Körper kurzfristig dabei, mehr Wasser zurückzuhalten und schnell einen ausgeglichenen Hydrationsstatus zu erreichen oder sogar mehr Wasser zu speichern als der Körper für einen ausgeglichenen Flüssigkeitshaushalt braucht (Hyperhydration). Dem Körper steht für die Schweißproduktion eine größere Flüssigkeitsmenge zur Verfügung, wodurch sich der Beginn der Dehydrierung während der Belastung verzögert. Studien belegen die Effektivität der Pre-Hydration (Hyperhydration-) Strategie gerade unter heißen Bedingungen und Hitzestress, um die Ausdauerleistung zu verbessern2. Ein starkes Elektrolytgetränk sorgt für einen „Extra-Boost“ an Flüssigkeit für den  Kühlmechanismus des Körpers.  

Pre-Loading für intensive Einheiten: Nicht vor jeder Trainingseinheit muss ein Pre-Loading erfolgen. Es ist eine Strategie, die sinnvoll sein kann:

  • vor besonders langen und intensiven Trainings
  • unter besonders warmen Bedingungen  
  • wenn hohe Schweißverluste erwartet werden
  • wenn Flüssigkeit/Getränke während der Einheit nur limitiert verfügbar, bzw zugänglich sind.  

Empfehlung: Trinke ein starkes Elektrolytgetränk mit ~ 750 mg Natrium in 500 ml (z.B. 1x Tablette PH1500), ungefähr 90-45 Minuten vor dem Start der Trainingseinheit.

Hinweis: Die Pre-Loading Empfehlung ist allgemeingültig und nicht abhängig von den individuellen Schweiß-Natrium-Konzentrationen während der Belastung. 

2. Während des Trainings (unter 1 Stunde)

Flüssigkeitszufuhr: Wer gut hydriert ins Training startet, muss bei kurzen Einheiten meist nichts trinken. Bei Training in der Hitze und unter schwülen Bedingungen kann es dennoch sinnvoll sein, ein Getränk dabei zu haben.  

Elektrolytzufuhr: Selbst bei den „saltiest Sweater“ unter uns ist sehr unwahrscheinlich, dass sie bei einer kurzen Trainingseinheit ein Natriumdefizit ausgleichen müssen.

3. Während des Trainings (zwischen 1 -2 Stunden)

1-2 Stunden stellt eine Art "Zwischen-Zone" für die Hydration dar, da die Menge an Flüssigkeit und Elektrolyten davon abhängt, wie hoch die Schweißraten sind und wie salzig der Schweiß ist.

Flüssigkeits- & Elektrolytzufuhr: Jeder kann ein gewisses Maß an Dehydrierung tolerieren, ohne dass es zu einem signifikanten Leistungsabfall kommt. Die Flüssigkeitszufuhr nach dem Durstgefühl zu steuern kann hier immer noch ausreichen. 

Für „heavy Sweater“ und „salty Sweater“: Mit steigendem Grad der Dehydrierung und/oder Intensität werden die Durstsignale des Körpers zunehmend beeinträchtigt. Wer besonders stark und salzig schwitzt braucht daher einen strategischeren Ansatz.

  • Elektrolytzufuhr: Sollte in der identischen relativen Natriumkonzentration erfolgen entsprechend der individuellen Schweiß-Natrium-Konzentration. 
  • Flüssigkeitszufuhr: Die Menge der Flüssigkeitszufuhr ist abhängig von der Schweißrate zu gestalten.

Beispiel:

  • Individuelle Schweiß-Natrium-Konzentration: 950 mg/L.
  • Schweißrate: Moderat mit 750 ml/h.  
  • Empfehlung: Für 90-120 Minuten sind ca. 500 ml Flüssigkeit ausreichend. Bei einer relativen Natriumkonzentration von 950 mg/L bedeutet das für die 500 ml eine Natriumzufuhr von 475mg (475mg/500 ml = 950 mg/L).
4. Während des Trainings (2,5+ Stunden)

Ein Training von mehr als 2 Stunden (besonders bei heißen und/oder schwülen Bedingungen) erfordert eine proaktive Flüssigkeitszufuhr, um die optimale Leistung aufrechtzuerhalten.

Flüssigkeitszufuhr: ~ 500ml pro Stunde sind ein guter Richtwert, um mit der Flüssigkeitszufuhr zu starten und die Menge bei Bedarf nach oben oder unten anzupassen. 

Elektrolytzufuhr: Ein Großteil der Flüssigkeitszufuhr sollte mit Elektrolyten erfolgen, in der identischen relativen Natriumkonzentration gleich der individuellen Schweiß-Natrium Konzentration.

Die Schweiß- und Natriumverluste müssen nicht zu 100 % ersetzt werden, aber eine Dehydrierung von mehr als 2-4 % des Körpergewichts über den gesamten Zeitraum der Einheit sollte vermieden werden.  

  • Für sehr geringe Schweiß- und Natriumverluste: Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr immer noch verhältnismäßig niedrig.
  • Für „heavy Sweater“ und „salty Sweater“: Bis zu 1.500 mg/L und > 500-750 ml pro Stunde erforderlich.  

Empfehlung: Starte im Training mit dem Experimentieren basierend auf den Informationen über die eigene Schweiß-Natrium Konzentration und Schweißrate. Verlangen von salzigen Lebensmitteln ist ein Zeichen von einem eher zu niedrigen Natriumspiegel, verlangen von Wasser für einen zu hohen Natriumspiegel.

5. Nach dem Training - Rehydrierung:
Allgemeine Reydrierung: Am Ende des Trainings leicht dehydriert zu sein ist normal. In den meisten Fällen reicht es aus, die Elektrolyt- und Flüssigkeitsverluste über die Salzzufuhr in den Lebensmitteln und Getränke der täglichen Ernährung auszugleichen. Generell gilt die Empfehlung, dass das 1,5-fache (150%) des Körpergewichtsverlusts an Flüssigkeitszufuhr notwendig ist, um wieder in einem ausgeglichenen Hydrationszustand zu kommen. 

Spezifische Rehydrierung: In einigen Fällen ist es sinnvoll proaktiv nach Plan zu rehydrieren. Das gilt für Sportler*innen mit:
  • aufeinanderfolgenden Trainingseinheiten
  • besonders hohen Schweißverlusten während der Einheit
  • späten Trainingseinheiten und wenig Zeit danach zu essen und zu trinken

Proaktive Rehydrierung: Innerhalb der ersten 30 Minuten nach der Trainingseinheit 500 ml mit einem starken Elektrolytgetränk (750 mg Natrium) zu sich nehmen (z.B. 1x Tablette PH1500). In extremen Fällen bis zu 1 L mit 1.500 mg in den ersten 30 Minuten - 2 Stunden. 

Guideline für die Hydrationsstrategie im Wettkampf

Vor dem Rennen

Kürzere Distanzen und Belastungsdauer: Der Fokus liegt vor allem darauf, optimal hydriert zu starten.

  • Empfehlung: Pre-Loading Strategie wie im Training, nur mit einem etwas früherem Beginn.
  • Pre-Loading: Ein starkes Elektrolytgetränk von 750 mg in 500 ml (z.B. 1x Tablette PH1500 in  500 ml) am Abend vor dem Rennen und am Morgen des Wettkampfs, ca. 60-90 Minuten vorher, stellt sicher, dass man optimal hydriert in das Rennen zu starten.

Längere Distanzen und Belastungsdauer: Identische Pre-Loading-Strategie, mit dem zusätzlichen Fokus auf die Hydrationsstrategie während der Belastung. 

Während des Rennens

Bei Wettkampfdauer von 1-2 Stunden: 

  • Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr: Abhängig von der Schweißrate und Schweiß-Natrium-Konzentration. Die Empfehlung entspricht der aus der Trainingsverpflegung.

Bei Wettkampfdauer von 2,5 + Stunden:

  • Individuell geplante Hydrationsstrategie erforderlich
  • „Hydrations-Gleichung“: Schweiß-Natrium-Konzentration, Schweißrate und Belastungsdauer ergeben die Schweiß- und Natriumverluste des gesamten Wettkampfs. 
  • Empfehlung: Die stündliche Flüssigkeitszufuhr ist so zu planen, dass am Ende des Wettkampfs eine stärkere Dehydrierung als 2-4 % des Körpergewichts vermieden wird.  
Abbildung 2: Hydrations-Gleichung. Angepasst von Precision Hydration Ltd.

Unterschiedliche Startzeiten und Wettkampfdauer über den Tages- und Nachtverlauf können die Umgebungsbedingungen maßgeblich verändern. Ebenso wechselnde Intensitäten abhängig vom  Gelände- und Höhenprofil und plötzliche Wetterumschwünge in den Bergen können eine flexible Flüssigkeits- und Natriumzufuhr erfordern. 

Die Bedeutung der RELATIVEN Natriumkonzentration 

Während die Flüssigkeitszufuhr in der Menge pro Stunde flexibel ist und von Veränderungen in der Schweißrate abhängt, bleibt die relative Natrium-Konzentration immer gleich. Höhere Schweißverluste führen zu einem größeren Flüssigkeitsbedarf, niedrigere Schweißraten zu einem geringeren Flüssigkeitsbedarf, aber beides immer in der identischen relativen Natrium Konzentration.  

Wer seine Schweiß-Natrium-Konzentration nicht genau kennt, teilt sich in eine grobe Kategorie der ‚saltyness‘ ein (s. die Schlüsselrolle von Natrium) und beginnt damit die Natrium-Zufuhr danach zu steuern: Leicht salzig = 500mg/L, moderat salzig = 1.000 mg/L oder sehr salzig = 1.500 mg/L. Für einen Großteil der Sportler*innen wird es ausreichend sein je nach Kategorie auf das Produkt mit der passenden Elektrolytstärke zurückzugreifen, ohne die genaue Schweiß-Natrium-Konzentration zu kennen. (Warum und für wen ein Sweat Test dennoch Sinn macht, findest du in Teil 1).

Die praktische Anwendung

Wie die passende Natriumzufuhr erreicht werden kann, ist höchst individuell. Sie hängt davon ab, ob flüssige  Kohlenhydrate über Sportgetränke zur Energieversorgung genutzt werden oder die  Kohlenhydratzufuhr weitgehend unabhängig von der Flüssigkeitszufuhr bleibt. Je nach Natriumgehalt der bevorzugten Sportgetränke kann die Natriumzufuhr durch zusätzliche Elektrolyttabletten oder Salzkapseln individuell angepasst werden. 

Alternativ kann von vornherein auf ein Elektrolytgetränk mit dem passenden Natriumgehalt gesetzt werden und die Kohlenhydrataufnahme hauptsächlich über Gels, Chews, Riegel oder feste Nahrung ohne oder mit geringen Mengen an Elektrolyten erfolgen. 

Natrium Gehalt - im Vergleich Gels

Natrium Gehalt - im Vergleich Drink Mix 500ml

Natrium Gehalt - im Vergleich Elektrolyte-Mix & Supplemente

Fazit: Keine 'one-size-fits-all' - jeder Weg ist individuell

Viele Athlet*innen, viele Strategien: Auch wenn die wissenschaftlichen Grundlagen für alle gleich sind, ist jede Wettkampfverpflegung einzigartig. Ob Flüssigkeit, Natrium oder Kohlenhydrate – jede*r muss seinen eigenen Weg finden, der für sich selbst am besten funktioniert. Das Grundlagen-Wissen liefert den Startpunkt, um die eigene Strategie zu entwickeln. Danach heißt es: Vieles testen im Training, an die spezifischen Anforderungen des Wettkampfs anpassen und ausreichend das Verdauungssystem trainieren. 

Bei diesem Artikel handelt es sich im Bezug auf die Energie-, Natrium- und Flüssigkeitszufuhr um keinen medizinischen Ratschlag. Es ersetzt nicht, bei medizinischen Fragen einen Arzt oder andere medizinische Fachkraft zu konsultieren bevor Änderungen in der eigenen Ernährung, Supplementierung oder Verpflegungsstrategie vorgenommen werden.

1 Jeukendrup AE. Training the Gut for Athletes. Sports Med. 2017 Mar;47(Suppl 1):101-110. doi: 10.1007/s40279-017-0690
6. PMID: 28332114; PMCID: PMC5371619. 

2 Convit L, Orellana L, Périard JD, Carr AJ, Warmington S, Beaugeois M, Abraham A, Snipe RMJ. Sodium Hyperhydration Improves Performance With No Change in Thermal and Cardiovascular Strain in Female Cyclists Exercising in the Heat Across the Menstrual Cycle. Int J Sport Nutr Exerc Metab. 2025 Jan 23;35(2):99-111. doi: 10.1123/ijsnem.2024-0125. PMID: 39591960.

Abbildungsverzeichnis:

Titelbild: Läufer, Pexels.

Abbildung 1: Die 3 säulen der Wettkampf-Verpflegung.

Abbildung 2: Hydrations-Gleichung.


Juli Brüning

Juli ist Ernährungswissenschaftlerin (M.Sc.), Performance Nutritionist und Ultra Trailrunner für das Craft Elite Run Team Germany. Sie betreut Athletinnen und Athleten in allen sport- und ernährungswissenschaftlich relevanten Themen und arbeitet als Sweat Test Center und Athlete Support für Precision Fuel and Hydration. Die ernährungsphysiologischen Prozesse des Stoffwechsels, sowie die frauenspezifische Physiologie sind Kernthemen ihrer Arbeit.

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