Flüssigkeitszufuhr während der Belastung

Flüssigkeitszufuhr während der Belastung

Juli Brüning |

Flüssigkeitszufuhr während der Belastung: Hydriert und leistungsstark bleiben - ein Gastbeitrag von Juli Brüning (Teil 2/3)

Wenn wir an die Versorgung im Training und Wettkampf denken, beschränkt sich die Verpflegungsstrategie nicht nur auf die Energiezufuhr und „Kohlenhydrate pro Stunde“. Auch die richtige Hydrationsstrategie ist ein essenzieller Bestandteil, um die Leistung zu optimieren und gesundheitliche Risiken zu minimieren. Flüssigkeit ist lebensnotwendig für alle Körperfunktionen und gilt es insbesondere bei sportlicher Aktivität zu berücksichtigen, wenn unser Körper über den Schweiß viel Flüssigkeit verliert. Neben dem Elektrolytverlust kommt es durch den Schweißverlust während der Belastung vor allem zu einem Flüssigkeits-Defizit, das, unbeachtet gelassen, schnell zur Dehydrierung führen kann. Der Schweißverlust wird grundsätzlich als die individuelle Schweißrate bezeichnet, die entweder in Milliliter (ml) oder Liter (L) pro Stunde ausgedrückt wird. Wie hoch die Schweißraten sind, hängt einerseits davon ab, wie „sweaty“ SportlerInnen sind, andererseits haben externe Faktoren entscheidenden Einfluss. Schweißraten können unter SportlerInnen stark variieren und es gibt kein „one-size-fits-all“.

Die wichtigsten Einflussfaktoren im Überblick:
  • Belastungsintensität (Power, Geschwindigkeit)
  • Umgebungstemperatur, relative Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit
  • Bekleidung
  • Hitzeakklimatisierung und Trainingsstatus
  • Genetische Faktoren

Beispiele aus der Praxis: 

Groß angelegte, qualitative Studien bestätigen, dass Schweißraten - unabhängig von der Sportart - individuell stark variieren. Sie zeigen, dass sie unter gleichen Bedingungen so niedrig wie 0,3 L/h sein können bis hin zu extremen 2,5-3L/h. 1

Abbildung 1: Individuelle Unterschiede in der Schweißrate bei Athlet*innen. Angepasst von Asker Jeukendrup mysportscience.

Generell gilt: 

  • je intensiver die Belastung,
  • je wärmer die Umgebungstemperatur, 
  • je ungeeigneter die Bekleidungsauswahl (geringe Atmungsaktivität), 
  • desto höher die Schweißrate. 
  • Zusätzlich schränkt vor allem eine höhere Luftfeuchtigkeit die Kühlungsfunktion des Körpers ein, denn nur Schweiß, der von der Haut verdunstet, hat auch einen kühlenden Effekt. Bei schwülen Bedingungen ist die Luft weitgehend mit Wasserdampf gesättigt, und der Schweiß kann nicht effektiv verdunsten – der kühlende Effekt bleibt aus. 

Im Gegenteil dazu führen:

  • Kühlere Bedingungen,
  • niedrigere Intensitäten und 
  • stärkere Windaktivität wiederum zu niedrigeren Schweißraten. 
Je nach Startzeit und Streckenverlauf eines Trail- oder Ausdauerwettkampfs variieren die Bedingungen (Tag/Nacht, Höhenmeter, Wetter, wechselnde Intensität). Schweißverlust und die Flüssigkeitszufuhr sollten daher nicht als fixe Zahl, sondern als Kontinuum angesehen werden.8 Es ist sinnvoll, die Flüssigkeitszufuhr flexibel an diese dynamischen Bedingungen anzupassen, anstatt sich auf eine feste Zahl zu verlassen.2

Die optimale Flüssigkeitszufuhr: Weder Über- noch Unterversorgung

Risiken und Leistungseinbußen durch Unterversorgung

Erschöpfung am Ende eines längeren Wettkampfs wird generell mit dem Verbrauch der Kohlenhydratspeicher in Verbindung gebracht, kann jedoch in gleichem Maße auch auf Dehydrierung zurückzuführen sein. Mehrere Studien konnten nachweisen, dass die sportliche Leistungsfähigkeit bereits beeinträchtigt wird, wenn ein Athlet/eine Athletin um nur 2 % seines / ihres Körpergewichts dehydriert ist. Ein Flüssigkeitsverlust von mehr als 5 % kann die Leistungskapazität sogar um etwa 30 % reduzieren.3 Bei Hitze wird dieser Effekt noch einmal verstärkt. Auch Dehydrierung kann ein Gefühl von „Hit the wall“ auslösen und das Wohlbefinden signifikant senken.3, 4, 5, 6

Dehydrierung beeinträchtigt die Leistung durch: 

  • Reduziertes Blutvolumen (weniger Sauerstoff / Nährstoffe für Muskeln)
  • Beeinträchtigter Kühlungsmechanismus (verminderte Hautdurchblutung & Schweißproduktion)
  • Erhöhte Körpertemperatur (Überhitzungsgefahr)
  • Erhöhter Kohlenhydratverbrauch (schnellere Erschöpfung)
  • Erhöhtes Risiko für hitzebedingte Probleme (Hitzschlag, Hitzeerschöpfung, Magen-Darm-Beschwerden)

Gefahren der Überversorgung

Nicht nur zu wenig, auch zu viel Flüssigkeit kann gefährlich sein. Eine übermäßige Zufuhr kann zur belastungsinduzierten Hyponatriämie führen – einem lebensbedrohlichen Zustand, bei dem der Natriumspiegel im Blut zu stark sinkt. In schweren Fällen drohen Hirnödeme, Koma oder sogar der Tod (auch dazu gibt es leider einige Beispiele im Ultra-Ausdauersport). 7, 8, 9 

In manchen Fällen kann die exzessive Flüssigkeitszufuhr fast gefährlicher sein als eine leichte Unterversorgung – was ist nun das Optimum?  

Wie 'sweaty' bist du?

Eine grobe, subjektive Einschätzung des Schwitzverhaltens (leicht, moderat, stark) kann als erste Orientierung dienen. Für eine individuelle Hydrationsstrategie ist jedoch eine genauere Schweißraten-Messung unerlässlich. Diese ist simpel, selbst durchführbar und kann unter verschiedenen Bedingungen wiederholt werden. Es wird lediglich eine Körperwaage benötigt, ein Handtuch und ein minimales Maß an mathematischem Verständnis, um die Ergebnisse zu nutzen.

Anleitung zur Schweißraten-Messung:
  1. Geh auf die Toilette und wiege dein Körpergewicht vor dem Training: Idealerweise nackt – oder das Bekleidungsgewicht gesondert berücksichtigen.
  2. Führe deine Trainingseinheit durch: 60 min, nicht länger als 90 min, um Messefehler durch den Verbrauch der Kohlenhydratspeicher zu vermeiden.
  3. Nach der Einheit abtrocknen und das Körpergewicht nochmal wiegen
  4. Gewichtsverlust in Gramm / kg entspricht Schweißverlust in ml / L
  5. Bei Flüssigkeitszufuhr während der Einheit: Vorher und nachher zusammen mit der Flasche/Soft-Flask wiegen, um diese Menge in der Berechnung zu berücksichtigen.

Beispiel: 
Läufer, 17 °C, milde Bedingungen 
Gewicht vorher: 70 kg  
Laufeinheit: 60 min 
Gewicht nachher: 69.25 kg 
Flüssigkeitszufuhr: Keine 
Körpergewichtsverlust: - 0.75 kg 
Schweißrate pro Stunde: 0.75 Liter/h 

Da die Schweißraten je nach Bedingungen stark variieren, ist es sinnvoll, Messungen bei unterschiedlichen Intensitäten und Witterungsverhältnissen durchzuführen. Für Wettkämpfe sollten die Bedingungen möglichst genau imitiert werden. 

Wie viel Dehydrierung ist tolerierbar? 

Für eine lange Zeit wurde geglaubt, dass die Schweißverluste während der Belastung 1:1 ersetzt werden müssen und war als Guideline bis 2007 in dem Positionspapier des American College of Sports Medicine verankert.10 Mittlerweile weiß die Sporternährungswissenschaft, dass ein gewisses Maß an Dehydrierung tolerierbar ist, bevor die Performance beginnt unter dem Flüssigkeitsdefizit zu leiden. Dieses Maß ist zu einem gewissen Grad individuell. In der Wissenschaft hat sich aber aufgrund einer bedeutenden Anzahl von Studien und Praxisbeispielen ein Richtwert von 2-4 % des Körpergewichts etabliert, der auf eine Großzahl von AthletInnen zutrifft. Seit 2007 lautet die geänderte Empfehlung des ACSM, eine Flüssigkeitszufuhr während der sportlichen Belastung in der Menge, die eine Dehydrierung von mehr als 2 % des Körpergewichts vermeidet.11

Nehmen wir den Läufer aus dem vorherigem Beispiel:
Läufer, 24 °C, warme Bedingungen 
Gewicht vorher: 70 kg  
Laufeinheit: 60 min 
Gewicht nachher: 68.2 kg 
Flüssigkeitszufuhr: Keine 
Körpergewichtsverlust: - 1.8 kg 
Schweißrate pro Stunde: 1.8 Liter/h 

Bei einem Schweißverlust von 1,8 Litern pro Stunde würde ein Sportler bei einem 2,5-Stunden Rennen ohne Flüssigkeitszufuhr 6,4 % seines Körpergewichts verlieren. Da eine Dehydrierung von über 2-4 % vermieden werden sollte, ist dies besonders bei längeren Wettkämpfen riskant, bei der sich das Flüssigkeitsdefizit über vielen Stunden aufbauen kann (oder bei Mehr-Etappen-Rennen, bei denen sich Dehydrierung auch über Tage aufbaut).

Die goldene Mitte: Trinken nach Gefühl oder Plan?

Im Alltag und bei kürzeren, weniger intensiven Einheiten oder Wettkämpfen reicht es oft aus nach dem Durstgefühl zu trinken. Wichtig ist, auf den Körper zu hören und die Flüssigkeitsaufnahme danach zu steuern – auch bei suboptimaler Zufuhr, wird sich der Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt in den Stunden nach dem Training wieder einpendeln. Vorausgesetzt, optimal hydriert in die Belastung zu starten.

Bei längeren Trainingseinheiten oder Wettkämpfen unter anspruchsvolleren Bedingungen reicht es nicht, sich auf das Durstgefühl zu verlassen, da dieses erst bei einer Dehydrierung von 2 % einsetzt. Ein proaktiver Ansatz ist notwendig, um das Flüssigkeitsdefizit auszugleichen!

Wer längere Distanzen trainiert oder Wettkämpfe bestreitet, insbesondere bei Hitze oder hoher Luftfeuchtigkeit, sollte abhängig von der Schweiß-Natrium-Konzentration und Schweißrate unbedingt eine durchdachte Hydrationsstrategie haben. 

Wie genau du diese Hydrationsstrategie in die Praxis umsetzen kannst, steht in dem Blog  über die optimale Hydrationsstrategie für Training und Wettkampf (3/3).

Fazit: 

Die richtige Flüssigkeitszufuhr ist komplex und selbst für Profis eine Herausforderung, wie Tom Evans' sehr empfehlenswerter 2024 UTMB-Debrief zeigt. Grundsätzlich gilt, sich ausschließlich auf das Durstgefühl zu verlassen, kann trügerisch sein, da es oft erst einsetzt, wenn der Körper bereits  dehydriert ist. Auf der anderen Seite ist es ein Irrglaube, dass "mehr immer besser" ist. Eine übermäßige Flüssigkeitszufuhr kann zu gefährlicher Hyponatriämie führen. Die Schweißratenmessung hilft dabei eine genauere Orientierung zu bekommen und informierte Entscheidungen zu treffen.


Bei diesem Artikel handelt es sich im Bezug auf die Energie-, Natrium- und Flüssigkeitszufuhr um keinen medizinischen Ratschlag. Es ersetzt nicht, bei medizinischen Fragen einen Arzt oder andere medizinische Fachkraft zu konsultieren bevor Änderungen in der eigenen Ernährung, Supplementierung oder Verpflegungsstrategie vorgenommen werden.


1 Barnes KA, Anderson ML, Stofan JR, Dalrymple KJ, Reimel AJ, Roberts TJ, Randell RK, Ungaro CT, Baker LB. Normative data for sweating rate, sweat sodium concentration, and sweat sodium loss in athletes: An update and analysis by sport. J Sports Sci. 2019 Oct;37(20):2356
2366. 

2 Does dehydration impair exercise performance? Sawka MN, Noakes TD. Med Sci Sports Exerc. 2007 Aug;39(8):1209-17. doi: 10.1249/mss.0b013e318124a664. 

3 Pichan G, Gauttam RK, Tomar OS, Bajaj AC. Effect of primary hypohydration on physical work capacity. Int J Biometeorol. 1988 Sep;32(3):176-80. doi: 10.1007/BF01045276. PMID: 3198291. 

4 Sawka, M.N. and Pandolf, K.B. (1990) Effects of Body Water Loss on Physiological Function and Exercise Performance. In: Gisolfi, C.V. and Lamb, D.R., Eds., Fluid Homeostasis during Exercise, Benchmark Press, Carmel, 1-38. 

5 Michael N. Sawka, Scott J. Montain, William A. Latzka, Hydration effects on thermoregulation and performance in the heat, Comparative Biochemistry and Physiology Part A: Molecular & Integrative Physiology, Volume 128, Issue 4,2001,Pages 679-690,ISSN 1095-6433. 

6 Armstrong LE, Costill DL, Fink WJ. Influence of diuretic-induced dehydration on competitive running performance. Med Sci Sports Exerc. 1985 Aug;17(4):456-61. doi: 10.1249/00005768-198508000-00009. PMID: 4033401. 

7 Hiller WD. Dehydration and hyponatremia during triathlons. Med Sci Sports Exerc. 1989;21(5 Suppl):S219–21. 

8 Lewis D, Blow A, Tye J, et al. Considering exercise-associated hyponatraemia as a continuum. Case Reports 2018;2018:bcr-2017-222916. 

9 Hew-Butler T, Loi V, Pani A, Rosner MH. Exercise-Associated Hyponatremia: 2017 Update. Front Med (Lausanne). 2017 Mar 3;4:21. doi: 10.3389/fmed.2017.00021. 

10 Convertino VA, Armstrong LE, Coyle EF, Mack GW, Sawka MN, Senay LC Jr, Sherman WM. American College of Sports Medicine position stand. Exercise and fluid replacement. Med Sci Sports Exerc. 1996 Jan;28(1):i-vii. doi: 10.1097/00005768-199610000-00045. PMID: 9303999. 

11 American College of Sports Medicine; Sawka MN, Burke LM, Eichner ER, Maughan RJ, Montain SJ, Stachenfeld NS. American College of Sports Medicine position stand. Exercise and fluid replacement. Med Sci Sports Exerc. 2007 Feb;39(2):377-90. doi: 10.1249/mss.0b013e31802ca597. PMID: 17277604. 

12 Berning, Jacqueline. (2008). The Encyclopaedia of Sports Medicine: An IOC Medical Commission Publication, Volume 19. 
10.1002/9780470693766.ch33. 

13 Jeukendrup, A. (JAHR). How much do you sweat and how much sodium do you lose? [Abb. 1]. Mysportsscience. https://www.mysportscience.com/post/how-much-do-you-sweat (zuletzt abgerufen am: 12. 03.2025).

Abbildungsverzeichnis:
Titelbild: Precision Hydration Ltd. | www.precisionhydration.com.
Abbildung 1:  Individuelle Unterschiede in Schweißrate bei Athlet*innen. 

Juli Brüning

Juli ist Ernährungswissenschaftlerin (M.Sc.), Performance Nutritionist und Ultra Trailrunner für das Craft Elite Run Team Germany. Sie betreut Athletinnen und Athleten in allen sport- und ernährungswissenschaftlich relevanten Themen und arbeitet als Sweat Test Center und Athlete Support für Precision Fuel and Hydration. Die ernährungsphysiologischen Prozesse des Stoffwechsels, sowie die frauenspezifische Physiologie sind Kernthemen ihrer Arbeit.

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