Kohlenhydrate im Wettkampf: Ein Balanceakt zwischen Power und Verträglichkeit

Kohlenhydrate im Wettkampf: Ein Balanceakt zwischen Power und Verträglichkeit

Nick Emde |

Kohlenhydrate im Wettkampf: Ein Balanceakt zwischen Power und Verträglichkeit - ein Gastbeitrag von Nick Emde

Kohlenhydrate sind für mich der Treibstoff im Rennen. Ohne sie geht nichts, aber mit ihnen auch nicht immer alles. Denn wer im Wettkampf performen will, muss nicht nur viel Energie zuführen, sondern sie auch effektiv aufnehmen. Genau hier kommt das Verhältnis von Glukose zu Fruktose ins Spiel. Klingt technisch, ist aber entscheidend, wenn man 90g , 100g oder sogar 120g Kohlenhydrate pro Stunde zu sich nehmen möchte. Die Wissenschaft hat in den letzten Jahren viel Klarheit gebracht. Und trotzdem bleibt am Ende die wichtigste Frage: Was funktioniert für mich persönlich? Denn Ernährung während Wettkampf und Training ist eine sehr individuelle Angelegenheit.

Warum Glukose und Fruktose?

Unser Körper kann pro Stunde nur eine begrenzte Menge Glukose über den sogenannten SGLT1-Transporter im Darm aufnehmen – ungefähr 60g. Früher dachte man, das sei das absolute Limit. Dann entdeckte man: Über einen zweiten Weg, den GLUT5-Transporter, lässt sich zusätzlich Fruktose aufnehmen. Die Folge: Wenn man Glukose (zum Beispiel in Form von Maltodextrin) und Fruktose kombiniert, kann man deutlich mehr Kohlenhydrate pro Stunde verwerten – nicht nur zuführen, sondern tatsächlich absorbieren. Und das macht den Unterschied. Es bringt nichts, sich 120g Carbs pro Stunde reinzuschütten, wenn der Körper nur 70g davon nutzen kann, der Rest liegt im Magen, sorgt für Probleme und bringt keine Energie.

Das Verhältnis macht's
Das aktuelle Optimum für eine maximale Aufnahme liegt laut Studien bei einem Verhältnis von 1:0,8, also ein Teil Glukose, 0,8 Teile Fruktose. Damit lassen sich unter optimalen Bedingungen bis zu 120 g Kohlenhydrate pro Stunde verstoffwechseln. Für viele Profis ist das der Goldstandard – und ein echter Gamechanger auf langen Distanzen. Ich persönlich vertrage dieses Verhältnis sehr gut. Im Training nutze ich zum Beispiel Produkte von Maurten, die genau auf diesem Verhältnis basieren und komme damit auch bei intensiven Belastungen gut klar. Aber ich weiß: Das gilt nicht für alle.


Fruktose: Boost oder Bauchweh?
Nicht jede*r verträgt Fruktose gleich gut – und das ist ein Punkt, der in der Diskussion oft zu kurz kommt. Selbst wenn keine echte Intoleranz vorliegt, reagieren viele Sportler*innen empfindlich, besonders unter Belastung. Für solche Fälle gibt es Alternativen. Die Marke Neversecond arbeitet zum Beispiel mit einem Verhältnis von 2:1 weniger Fruktose, besser verträglich, dafür etwas geringere maximale Zufuhr. Ich kenne Athlet*innen für die funktioniert das deutlich besser als die Fruktose-betonten Varianten. Und genau das zeigt: Es gibt nicht ein perfektes Verhältnis…das muss Jede und Jeder für sich selbst herausfinden.

Körpergewicht, Leistung und Individualität 
Wer weniger Energie verbraucht, braucht auch weniger nachzufüllen. Ein Age-Grouper, der auf der Langdistanz 100 Watt weniger tritt als ein Profi, hat ganz andere Anforderungen. Für viele reichen 60 bis 80 g Kohlenhydrate pro Stunde – und da braucht es kein 1:0,8-Verhältnis. Auch ein klassisches 2:1 oder sogar 4:1 (also deutlich mehr Glukose als Fructose) funktioniert in diesen Bereichen gut. Entscheidend ist, was der Magen verträgt und wie hoch die Belastung ist.

Auch die Ernährung lässt sich trainieren

Was viele vergessen: Der Körper lässt sich trainieren und das nicht nur mit Intervallen, sondern auch über die Ernährung. Ich esse im Alltag viele Kohlenhydrate und auch relativ viel Fruktose, zum Beispiel über Früchte. Dadurch hat mein Körper gelernt, Fruktose besser zu verstoffwechseln. Dadurch komme ich im Wettkampf mit hohen Zufuhrmengen und dem 1:0,8-Verhältnis gut klar. Wer dagegen im Alltag kaum Kohlenhydrate isst, wird auch im Rennen keine 120g pro Stunde problemlos aufnehmen. Die Grundlage wird nicht am Renntag gelegt, sondern bereits in den Monaten davor.

Training als Testlabor
Für mich ist die Wettkampfverpflegung kein spontaner Mix am Renntag, sondern ein fein abgestimmtes System. Ich teste regelmäßig verschiedene Produkte, Verhältnisse und Mengen auch in intensiven Einheiten. Denn nur unter Belastung zeigt sich, was wirklich funktioniert. Dabei habe ich gelernt: Der Magen will Routine. Was im Training funktioniert, funktioniert meist auch im Rennen. Und was im Training schon grenzwertig ist, wird im Wettkampf zur Lotterie.

Fazit: Es gibt keine Einheitliche Formel

Die Forschung zeigt uns das theoretische Maximum, aber ob es in der Praxis funktioniert, ist eine andere Frage. Wer 120g pro Stunde schaffen will, braucht das richtige Verhältnis, eine gute Verträglichkeit und eine passende Alltagsgrundlage. Für mich funktioniert das 1:0,8-Verhältnis sehr gut, aber ich kenne viele, bei denen ein anderes Setup besser läuft. Entscheidend ist: testen, anpassen, nicht blind der Theorie folgen. Denn Ernährung im Wettkampf ist kein Zahlenrätsel. Sie ist individuell. Und am Ende zählt nicht die Formel, sondern das Ergebnis und auch der Spaß auf und bis zur Ziellinie.

Abbildungsverzeichnis:

Titelbild: Nick Emde Fahrrad, Fotografiert von Dennis Glaubach.

Abbildung 1: Maurten, Gel 100.

Abbildung 2: Nick Emde laufen, Fotografiert von Julia Bodenschatz. 


Nick Emde

Nick ist Profi-Triathlet und studiert Maschinenbau an der RWTH Aachen. Seit er 11 ist, steht er bei Triathlons an der Startlinie – von Jugendrennen bis Bundesliga. Heute liegt sein Fokus auf der Mitteldistanz, bald kommt die erste Langdistanz. Ziel: Hawaii! Neben Sport und Studium interessiert er sich brennend für Sporternährung und nutzt sein Wissen, um das Beste aus sich rauszuholen.

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