Kimi Schreiber: Mein vielleicht bestes Rennen

Kimi Schreiber: Mein vielleicht bestes Rennen

Magenprobleme sind nie angenehm. Für diese Erkenntnis muss man keine Leistungssportlerin sein. Man fühlt sich unwohl, alles Blut scheint sich im Magen anzustauen, und Blähungen lassen alles andere in den Hintergrund treten. Egal, was man zu sich nimmt, es kommt über kurz oder lang wieder heraus, und sowohl die Konsistenz als auch die Lautstärke beim ‚Loswerden‘, scheinen jeglicher Norm nicht mehr zu entsprechen. Kurz gesagt, man fühlt sich hundeelend. Aus meiner Erfahrung als Trailrunnerin kann ich jedoch sagen, dass Magenprobleme beim Laufen noch einmal eine ganz andere Form des Unwohlseins darstellen. Und das im blödesten Fall während eines Wettkampfes vor laufender Kamera.

Für mich ist die Suche nach der richtigen Verpflegung noch immer nicht zu 100% abgeschlossen, obwohl ich nun seit beinahe sechs Jahren professionelle Trailrunnerin bin. Es gleicht einem endlosen Frage-/Antwort-Spiel, das von Jahr zu Jahr komplizierter wird. Das Angebot nimmt zu, die Auswahl wird größer, wissenschaftliche Fortschritte in der Ernährungswissenschaft machen die Entscheidung faktischer und das Bauchgefühl irrelevanter. Der heutzutage einfache Zugang zu wissenschaftlichen Informationen und vor allem Social-Media, lassen zudem Stimmen von außen zu, welche das eigene Gefühl verunsichern.

„In meinen Jahren als Trailrunnerin durfte ich mehrmals erfahren, was Unwohlsein wegen eines rebellierenden Magens bedeutet. Und das im blödesten Fall vor laufender Kamera.“

Kommerzialisierung der Esskultur

Ich finde es wichtig, dass Leistungssport etwas Emotionales ist und vor allem bleibt. Klar, Teil der Professionalität sind eine gewisse Struktur und das Einhalten unabdingbarer Regeln. Egal, mit wie viel Talent man genetisch auch gesegnet ist. Feilt man es nicht aus, kommt man früher oder später an die eigenen physischen Grenzen und wird von jenen überholt, die fleißiger gearbeitet – und an den richtigen Stellen investiert, oder Verzicht geübt haben. Aber dennoch. Sport ist Leidenschaft, es ist Kampfgeist. Es ist Durchhaltevermögen, die Bereitschaft, über Grenzen hinaus zu gehen. Ein bisschen Bauchgefühl ist und bleibt hierbei wichtig. Wir sind Menschen, keine Maschinen, und das macht am Ende den Unterschied. Alles wird die Wissenschaft meiner Meinung nach nicht erklären können, oder gar ersetzen.

Umso mehr stresst mich die Tatsache, dass Ernährung, ein ursprünglich so menschliches Verlangen, immer faktischer wird. Vor allem im Sport, aber auch ganz generell in der heutigen Gesellschaft.

In einem erst kürzlich veröffentlichten Artikel der Süddeutschen Zeitung, geht es um eine ähnliche Thematik. „Essen wird immer mehr zum Fetisch“ heißt es darin. Unter anderem hat mich folgende Formulierung nicht mehr losgelassen: „Effizientes Essen“. Denn ja, das kenne ich nur zu gut und kann davon ein Liedchen singen. Das Gefühl, alles rund um die Nahrungsaufnahme zu zerdenken. Es geht nicht mehr darum, sich zu ernähren – es geht um ein reines Mittel zum Zweck. Das nötige Übel. Es geht um ein, bis ins Detail sortiertes, Schema.

„Bis vor Kurzem war ich felsenfest davon überzeugt, dass ich mich gesund ernähre. Nun musste ich aber feststellen, dass mein Essverhalten im Gegenteil ziemlich ungesund ist.“

Zu viel Perfektionismus führt zu Blähungen

Im Juni dieses Jahres hatte ich eine Art “Aha-Moment“. Es machte einfach Klick und ich kann gar nicht in Worte fassen, wie dankbar ich um diese Erfahrung bin. Schon seit Langem weiß ich, dass mein Essverhalten in manchen Facetten nicht gut ist. Ich kaufe gesund ein, ich lasse die Finger von zuckerhaltigen Getränken, mein Fast-Food Verzehr ist bei null. Würde man einen Blick in meine Vorratskammer werfen, es gäbe nichts zu beanstanden. Darum geht es nicht. Es geht viel eher um das wie als um das was. Ich investiere zu viele Gedanken ins Essen, und mache es mir gleichzeitig nicht wichtig genug. Als Leistungssportlerin ist das doppelt schlecht, denn die Nahrung, die ich zu mir nehme, ist mein Treibstoff und gleichzeitig der langfristige Garant dafür, dass mein Körper funktioniert, gesund bleibt und ich leistungsfähig bin.

Die alte Leier, ich weiß. Aber dieser Punkt gehört mit in die Geschichte und hier versuche ich, den Bogen zurück zu meinem Aha-Moment zu schließen. Ich weiß, dass mir befreites Essen vergleichsweise schwerfällt und dass ich zu lange – vor allem unter Berücksichtigung meines wöchentlichen Trainingsvolumens – zu wenig zu mir genommen habe. Das resultierte in einem Hungerast am Abend, einem durchgehenden Blähbauch und Unwohlsein, Snacks untertags, keiner Esspause zwischen den Mahlzeiten und einem unzähmbaren Appetit zu später Stunde. Mein Magendarmtrakt war einem, ich nenne es, ungünstigen Rhythmus unterworfen. Hinzu kam das Laufen und damit einhergehend eine Stauch-Bewegung, die alles im Magen enthaltene noch einmal ordentlich durchschüttelt. Kommt all das im Wettkampf zusammen, wo man Gels und irgendeine Zuckerpampe zu sich nimmt, um genügend Energie aufzunehmen, meldet der Magen irgendwann: ich will und ich kann nicht mehr. Zurecht.

„Ich investiere zu viele Gedanken ins Essen, und mache es mir gleichzeitig nicht wichtig genug.“

An diesem Punkt war ich beim ZUT. Ich hatte, wie auch beim Transvulcania Marathon einen Monat zuvor, unglaubliche Magenbeschwerden und musste während des Laufes mehrmals in die Büsche. Alles kam oben und/oder unten raus. Dass das unangenehm ist hatten wir schon. Außerdem ist es sehr frustrierend. Das Training kann noch so gut laufen, streikt der Körper, ist es im Grunde unmöglich, die gesetzten Ziele zu erreichen. Ich weiß nicht, woran es am Ende lag, ich weiß nicht, woher der Aha-Moment kam und warum ich es endlich schaffe, die Routine im Essen aufrechtzuerhalten und meinen sonst so gesunden Lebensstil auch in mein Essverhalten zu packen. Seit Garmisch und mit ein paar winzigen Veränderungen schaffe ich es endlich, Ruhe in meinen Magen und meinen Darm zu bringen. Die Energie, die dadurch freigesetzt wird, ist unglaublich und das Zufriedenheitsgefühl sowieso.

Dass ich damit Mitte Juli mein vielleicht bestes Rennen laufen konnte, ist natürlich das Sahnehäubchen. Denn – oh Wunder – obwohl ich vielleicht nach wie vor nicht zu 100% weiß, wie meine perfekte Wettkampf-Verpflegung aussieht, hat beim Eiger51 alles funktioniert. Warum? Da kam wohl viel zusammen. Vor allem aber war mein Körper endlich frei von Blähungen und voll mit der nötigen Energie, um abzuliefern. Und das, ganz ohne wissenschaftlich fundiertes Tralala. Alles, was es am Ende gebraucht hat, waren Ratschläge von Menschen, denen ich vertraue und mein Bauchgefühl, das mir zur richtigen Zeit gespiegelt hat, dass es so nicht weitergeht.

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